Die neue Zahlungsrichtlinie PSD2 soll Mitte September in Kraft treten. Viele Händler und Kunden fühlen sich nicht gut informiert und mangelhaft vorbereitet.

„Online-Shopping wird zur Qual“ – so betitelte die FAZ Anfang August einen Beitrag über die neue Zahlungsrichtlinie PSD2. Mit Inkrafttreten müssen sich Kunden bei Onlinekäufen deutlich stärker ausweisen. Die Payment-Service-Directive 2 sieht bei Zahlungen im E-Commerce für mehr Sicherheit eine starke Kundenauthentifizierung vor. Online- und Kartenzahlungen müssen dann grundsätzlich durch zwei unabhängige Merkmale (Zwei-Faktor-Authentifizierung) aus den Kategorien Wissen (z.B. PIN oder Passwort), Besitz (z.B. Handy, Karte, TAN-Generator) und Inhärenz (z.B. Fingerabdruck) bestätigt werden. Zwar wurde die neue Richtlinie schon im Januar 2018 in nationales Recht umgesetzt. Trotzdem fühlen sich viele Händler und Kunden nicht ausreichend vorbereitet. Das zeigt auch die neue Studie „Online-Payment 2019“ des EHI Retail Institutes. Demnach haben erst gut zwei Drittel der befragten Händler die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung im Onlineshop geschaffen. Geplanter Start für die PSD2 war der 14. September 2019.

Was befürchten Händler genau wegen PSD2?

EHI-Geschäftsführer Michael Gerling: „Der Informationsstand vieler Händler ist zum Teil noch unzureichend. Außerdem scheinen viele Händler vor der Implementierung zurückzuschrecken, da sie Einbußen hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit beim Bezahlen in ihrem Shop befürchten.“ Nach Meinung von 61 Prozent der befragten Händler wird sich die Komplexität des Online-Payments erhöhen. Mehr Kaufabbrüche infolge der erhöhten Komplexität für den Kunden erwarten 82 Prozent der Befragten. Durch den veränderten Bezahlprozess rechnen Unternehmen mit mehr Rückfragen seitens des Kunden. Ein erhöhtes Serviceaufkommen wird dementsprechend von 68 Prozent befürchtet. Darüber hinaus erwarten 39 Prozent der befragten Händler hohe Kosten bei der Umstellung des Bezahlprozesses. Die Erfahrungen der Händler, die das 3D-Secure-Verfahren für Kreditkartenzahlungen bereits anbieten, bestätigen diese Befürchtungen. 40 Prozent davon haben seit der Implementierung in ihrem Shop bereits einen Anstieg der Kaufabbrüche nach Auswahl der Zahlungsart Kreditkarte festgestellt.

Auch Handelsverband Deutschland sieht Gefahren

Das Thema PSD2 hat auch den Handelsverband Deutschland auf den Plan gerufen. Ulrich Binnebößel, HDE-Experte für Zahlungssysteme, sieht eine Haupthürde darin, dass wichtige Reglungsdetails zu lange unklar gewesen seien: „So wurden die sogenannten regulatorischen technischen Standards (RTS) erst im März letzten Jahres veröffentlicht. Erst mit diesen Regelungen konnten schließlich die Arbeiten an einer rechtskonformen Zwei-Faktor-Authentifizierung begonnen werden. Händler sind nun darauf angewiesen, fertige Systeme geliefert zu bekommen, die sie in ihre Zahlungsprozesse einbauen können. Die Zeit für diesen Einbau und vor allem für umfangreiche Funktionstests ist jetzt zu knapp.“ Er wünscht sich mehr Zeit, damit der Handel und auch die Endkunden sich mit den neuen Anforderungen vertraut machen können: „Zumindest aber kann mit einer erweiterten Frist von 18 Monaten bis zur verpflichtenden Anwendung das Schlimmste verhindert werden. Denn Kaufabbrüche und unzufriedene Kunden sind weder im Interesse des Gesetzgebers noch des Handels.“

Bafin hat Ende August Fristverlängerung angekündigt

Eine Fristverlängerung ist auch das, was zahlreiche europäische Branchenverbände fordern. So hat die European Payment Insititutions Federation einen Brandbrief geschrieben. Darin beziffert sie den Verlust für Onlinehändler durch Kaufabbrüche aufgrund der PSD2 auf europaweit 57 Milliarden Euro im ersten Jahr. Gefordert wird daher eine Verschiebung: „Wir glauben, dass das Zahlungsökosystem eine Übergangszeit von mindestens 18 Monaten und in klar definierten Anwendungsfällen eine längere Zeitspanne benötigt, mit wichtigen Meilensteinen und klaren und konsistenten Metriken, die in diesem Zeitraum identifiziert werden und die die Spitzenzeiten der Händler berücksichtigen.“ Die Stimmen der Branche hat in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gehört. Sie hat am 21. August angekündigt, vorerst bei Kreditkartenzahlungen im Internet auf die Starke Kundenauthentifizierung zu verzichten. Wie lange diese Übergansfrist dauern wird, „wird die BaFin festlegen, nachdem sie die Markteilnehmer konsultiert und sich mit der EBA [Europäische Bankenaufsichtsbehörde] und den nationalen europäischen Aufsichtsbehörden abgestimmt hat“, so die Behörde.

 

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Link: In der Studie „Online Payment 2019“ weist das EHI Retail Institute auf die Risiken bei der Umsetzung der neuen Zahlungsrichtlinie PSD2 hin.

Bild: pixabay, EHI Retail Institute

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